Interwiev mit Tobias Michael
durch Helmut Geggus im Mai 1996 in
"Durchblick und Dienst"
Seite 94/95
Monatsblatt des Liebenzeller Gemeinschaftsverbandes.


»Durch Raum und Zeit«


Wie so viele andere in der ehemaligen DDR mußte Tobias Michael, Jahrgang 1952, aus Lauter im Erzgebirge seine Berufswünsche begraben. Eigentlich wollte er die künstlerische Laufbahn einschlagen. Er wusste jedoch, dass seine Bewerbung zur Aufnahme an der Kunsthochschule keine Chance hatte – also unterließ er es. Er war nämlich kein Mitglied in der Freien Deutschen Jugend (FDJ), dem staatlichen Jugendverband. Statt dessen besuchte er regelmäßig die Versammlungen des sächsischen Gemeinschaftsverbandes. Nicht die Partei, sondern der Glaube an Jesus Christus prägte sein Leben. Als Kind hatte er einen Schnitzzirkel besucht, wie es ihn in fast jedem Ort im Erzgebirge gibt. Er entdeckte sein Talent, doch weil er nicht Bildhauer werden konnte, lernte er etwas ganz anderes: Elektriker.

Mit der politischen Wende 1989 kam auch die berufliche Wende in seinem Leben. Tobias Michael machte sich selbständig und es entstanden eine Reihe von Kunstwerken, darunter schon mehrere große Werke wie z.B. eine Luther-Plastik zum Thema »Leere und Lehre«.

Überwiegend gestaltet Tobias Michael christliche Themen. Sein Ziel dabei ist, den Betrachter zum eigenen Denken anzuregen. Noch mehr: durch seine Kunstwerke will er weitergeben, was ihm selber am wichtigsten ist – der Glaube an Jesus Christus. Deshalb faltet er seine Hände, bevor er sich ans Werk macht.

Tobias Michael ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der Liebenzeller Gemeinschaftsverband (LGV) hat ihm den Auftrag zu einem Kunstwerk gegeben, das im April 1996 im neuen Missions- und Schulungszentrum (MSZ) aufgestellt wurde. Es ist gleichsam das Geschenk des LGV an die Liebenzeller Mission für das neue Zentrum. Mit dem Künstler sprach Helmut Geggus.

Herr Michael, der LGV hat sich als Geschenk für das neuerbaute MSZ auf dem Missionsberg für ein Kunstwerk von Ihnen entschieden. Sie haben es im April 1996, also ein Jahr nach der Einweihung, im Foyer dort angebracht. Könnten Sie uns dieses Werk erläutern?


Bevor ich auf meine Arbeit eingehe, möchte ich mich erst einmal beim LGV für den Auftrag und für das Vertrauen bedanken. Die Mission ist mir ein Anliegen, und so freute es mich besonders, gerade für das MSZ in diese Richtung tätig zu werden.

Folgendes nun zu dieser Wandgestaltung:

Ich habe sie »Durch Raum und Zeit« genannt, denn die gute Botschaft von Jesus Christus ging am Anfang von Ort zu Ort, von Land zu Land, dann von Kontinent zu Kontinent, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie alle Enden der Erde erreicht hat. Doch ohne Hinweis auf das Kreuz und die damit verbundene Rettung wäre die gesamte Verbreitung sinnlos. Deshalb ist auch ein angedeutetes Kreuz, das sich aus verschiedenen Elementen zusammensetzt, das Dominierende dieser Wandplastik. Das Kreuz durchdringt förmlich die Erde, geht durch sie hindurch, bildet den Mittelpunkt. Die Mitte des Kreuzes wiederum bildet der Missionsbefehl. In ihm treffen sich alle »Fäden« dieser Gestaltung - teilweise auch in Form von Seilen. Die drei Seile, aus der die Kreuzsenkrechte besteht, scheinen gleichsam durch den Raum zu gehen - hier durch das Foyer des MSZ. Sie kommen von oben durch die Decke und gehen nach unten durch den Fußboden. Die drei Seile symbolisieren den dreieinigen Gott. Der senkrechte Kreuzesbalken wird oft auch mit der Verbindung Gottes zu den Menschen verglichen und der horizontale Balken als Verbindung der Menschen untereinander in Jesus Christus. Und deshalb setzt sich hier der Querbalken aus Buchetafeln zusammen, die für die verschiedenen Missionsfelder stehen. Sie weisen eine gebrochene Oberfläche auf. Es muss erst ein Aufbruch im Denken und Tun geschehen, ehe Jesu Wort in die Menschen versenkt werden kann. Hier in die Holztafeln versenkt sind gebrannte Tonplatten, die in der jeweiligen Landessprache Worte für Jesus tragen. Der Ton wurde mir von den Missionsfeldern angeliefert, was natürlich einige Zeit dauerte. Wo es keinen Ton gab, wurde Holz von dort verarbeitet. Aus Holz sind auch die Teile, durch die die Erdkugel dargestellt ist, die mit vier Segmenten das Kreuz umgibt oder vom Kreuz durchdrungen wird. Diese Wandplastik ist eine offene Gestaltung, die im Lauf der Zeit nach beiden Seiten erweitert werden kann und auffordert, die Arbeit durch neue Missionsgebiete zu erweitern. Die gute Nachricht von Jesus Christus soll auch in Zukunft durch Raum und Zeit dringen.


Der Holzgestalter Tobias Michael bei der Herstellung des Kunstwerkes
"DURCH RAUM UND ZEIT"


Wenn ich es recht sehe, sind Sie ein Künstler, der besonders zum Nachdenken über Christus anregen möchte. Gelingt Ihnen das?


Es ist mein Anliegen, mit meinen bildnerischen Fähigkeiten Jesus Christus groß zu machen und zu verkündigen. Dabei sollen die Aussagen in Holz und anderem Material nicht sofort ins Auge springen, sondern der Betrachter soll sich damit auseinander setzen, es sollen ihm bestimmte Dinge nachgehen. Aus Briefen, Gesprächen und Diskussionsbeiträgen konnte ich erfahren, dass ich nicht nur die Augen meiner Mitmenschen erreiche, sondern oft auch ihre Seele. Es macht mich schon froh, wenn ein Bibelschüler aus dem Johanneum schreibt: »Ich lebe mit, vor und unter diesem Kunstwerk. Es verändert mein Leben, denn dieses Werk hat für mich heilende Wirkung.«

Im Erzgebirge wird viel geschnitzt... Wer kennt nicht die schönen Weihnachtspyramiden? Sind Ihre schnitzenden Landsleute Ihre Vorbilder, die Quelle Ihrer Inspiration?

Nein! Das einzige, was uns verbindet, ist das Bearbeiten von Holz in einer guten Qualität. Dabei setze ich auch auf Experimente, um immer wieder neue Oberflächenstrukturen zu erreichen. Biblische Themen, an mich herangetragene Aufgaben und Gedanken, die mich beschäftigen, sind mir Inspiration. Doch ich denke, dass Gott mir auch als Antwort auf mein Beten Ideen schenkt. Als Vorbilder möchte ich Ernst Barlach und Elly-Viola Nahmacher nennen, die mich mit dem Formenreichtum und Ausdruck ihrer Arbeiten faszinieren.

Sie haben schon früh dieses künstlerische Talent in sich gespürt, wegen Ihres Glaubens an Jesus Christus mußten Sie aber zu DDR-Zeiten darauf verzichten. Was hat Ihnen damals geholfen, mit dieser »Behinderung« fertig zu werden?


Als so großen Verzicht empfand ich dies alles gar nicht, denn Gott hielt für mich in dieser Zeit andere Aufgaben bereit. Wer christliche Jugendarbeit vor Ort und auch überregional kennt, weiß, dass solch ein Auftrag Zeit in Anspruch nimmt, den ganzen Einsatz fordert und auch Freude schenkt. Diese 15 Jahre waren für mich keine »Behinderung«, sondern Erfüllung und ein Stück geistliche Vorbereitung auf meine jetzige Tätigkeit.

Was würden Sie als Künstler noch gerne schaffen?


Wenn ich Ruhe finde, erscheinen vor meinem inneren Auge Arbeiten, die ich dann auch ausführen will. Besonders denke ich da an die Trinität Gottes, die ich in ihrer vollkommenen Einheit symbolhaft darstellen möchte. Dabei sollen meine Arbeiten nicht zu abstrakt wirken, so dass sie Viele ansprechen. Auch möchte ich helfen, Säle und Versammlungsräume mitzugestalten, dass sie einladend werden, ein Hinweis zu Gott sind und man sich gerne darin aufhält.

Vielen Dank für das Gespräch.


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