Überhaupt nicht verbohrt: Gespräch unter Holzwürmern
Midissage
in der Galerie „Art Aue": Holzgestalter Tobias Michael erzählt
am Sonnabend inmitten seiner Werke von der Arbeit und der Kunst
Aue/Lauter.
„Botschaft in Holz" hat Tobias Michael seine Ausstellung genannt,
die bis Ende Juni in der Galerie „Art Aue" gezeigt wird. Am
Sonnabend ist es möglich, mit dem Gestalter aus Lauter ins Gespräch
zu kommen. 15 Uhr beginnt eine Midissage im Kulturhaus. Das
Wort klingt hochtrabend, Tobias Michael schmunzelt darüber.
Es ist eine Gesprächsrunde, die nicht zum Beginn oder Ende einer
Ausstellung angeboten wird, sondern mittendrin.
Jeder, der Vorurteile gegen Künstler hat, wird sie bei Tobias
Michael fallen lassen müssen. Wie aus rund 100 Jahre alten Balken
„Die zehn Geheilten" entstanden sind? Es ist spannend, wenn
der Gestalter erzählt. Wie schwierig es war, das Fichten-Holz
zu bearbeiten. Wegen der Risse, die jetzt quer durch einige
der zehn Gesichter verlaufen. Er hatte die Idee schon lange
im Hinterkopf. Wie die meisten beruht sie auf dem christlichen
Glauben, in diesem Fall der biblischen Erzählung der zehn Aussätzigen.
Tobias Michael hätte gern schon früher als Künstler gearbeitet.
Ein Studium blieb ihm allerdings zu DDR-Zeiten verwehrt. Doch
nach der Wende wollte der Elektriker nicht länger in seinem
Beruf tätig sein. Er machte sich selbstständig. "Die meisten
Christen haben in ihrer Wohnung keine christliche Kunst. Höchstens
Kalender oder Bilder, aber etwas anderes fehlt." Das zu ändern
sei seine Idee gewesen. Allerdings kam es anders. Schon sein
erstes Werk – "Dynamis – bewegende Kraft" – war zu groß,
um in einem normalen Zimmer zu hängen.1,1 mal 1,73 Meter misst
die Arbeit aus Lindenholz und Keramik. Sie ist nun in der Evangelistenschule
"Johanneum" in Wuppertal zu sehen.
Mittlerweile stehen in vielen Orten Werke des Lauterers. So
die Wandplastik "Stein des Anstoßes" in der Freien Evangelischen
Schule Hannover oder die Arbeit "Durch Raum und Zeit" im
Missions- und Schulungszentrum Bad Liebenzell. Dafür hat sich
Tobias Michael Ton aus Missionsgebieten schicken lassen, manchmal
auch ein Stückchen Holz. So aus Malawi, Sambia, Taiwan, Ecuador
und Papua-Neuguinea. "Ich war etliche Stunden beim Zoll",
erinnert sich der 51-Jährige. Aber er brauche ohnehin immer
viel Geduld.
Im Kulturhaus sind kleine und große Gestaltungen von Tobias
Michael zu sehen. Hinter jeder verbirgt sich eine eigene Geschichte.
Den Umgang mit dem Material Holz hat er sich selbst beigebracht.
Vieles sei Übungssache durch das ständige Probieren. Auch darüber
lässt es sich gut unterhalten – am Sonnabendnachmittag in Aue.
(aho)
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FREIE PRESSE Westsächsische Tageszeitung
Chemnitz
im Sommer 1999
Das Kreuz als ewiges Symbol
Tobias Michael schafft seine Kunstwerke zumeist im Auftrag der
Kirche
Von Sara Thiel
LAUTER. Er hat die Wende als Chance verstanden. Er hat gekündigt
und ganz neu angefangen. Heute arbeitet der gelernte Elektriker
Tobias Michael in einer ehemaligen Scheune im erzgebirgischen
Lauter und ist zufrieden mit sich und der Welt.
Tobias Michael - Holzwurm, Autodidakt und überzeugter Christ
- kommt gut über die Runden. Es ist noch nicht lange her, da
hat er ein großes Kreuz fertiggestellt, das besitzt nun die
Landeskirchliche Gemeinschaft in Chemnitz. Es war ein Auftragswerk
– so, wie er fast immer auf Bestellung und immer für christliche
Einrichtungen arbeitet. "Unter diesem Aspekt habe ich auch angefangen",
erzählt der Mann, dessen kaum zu bändigende Mähne langsam grau
wird.
Eine Marktlücke ist dies vielleicht. Vielmehr aber noch sein
persönliches Anliegen. Mit der Kettensäge frisst er seine Gedanken
zur göttlichen Botschaft in das jungfräuliche Holz. So entsteht
aus der Linde ein grobes Kreuz, das erst dann sanftere Formen
annimmt, wenn Tobias Michael feinere Werkzeuge benutzt. Das
Kreuz ist für ihn immer ein Symbol, dieses Mal stellt es einen
Zeitstrahl dar - beginnend im alten Israel und in der heutigen
Zeit nicht endend.
Darum hat er aus Eiche Figuren geschnitzt, die im Raum schweben
sollen. Menschen, die geben und solche, die nehmen. Menschen,
die hören
und gehorchen - so auch der Titel dieser Arbeit. Diese Figuren
sind nicht abstrakt, aber auch nicht fein gezeichnet. "Wenn
man zu genau arbeitet, dann läuft man Gefahr, kitschig zu werden."
Dies sagt ein Mann, der zwar seine Wurzeln im Erzgebirge spürt,
aber mit Volkskunst nichts im Sinne hat, obwohl er sie wirklich
schätzt. "In der Kunst ist es ja so", erklärt er seinen Standpunkt,
"es ist nicht das Detail gefragt und auch nicht die 100-prozentige
Abbildung der Wirklichkeit. Sondern es geht darum, mit wenigen,
markanten Mitteln eine Aussage zu treffen."
Seine Aussage ist klar, sie findet sich im meistverkauften Buch
der Welt. Deswegen gehen ihm auch nie die Ideen aus. "Selbst
wenn ich mich nur auf die Bibel beschränken würde: Darin gibt
es so viele Gedanken, dass ein Menschenleben nicht reicht, sie
darzustellen." Und so wird er weiterarbeiten in seiner von Licht
durchfluteten Werkstatt in einem Lauterer Hinterhof. Im Auftrag
der Kirche zumeist und immer im Namen des Herren.
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